Ärztebewertungsportal Jameda muss nicht nur falsche Darstellung einer Behandlung sondern auch schlechte Benotung löschen. Abkehr des OLG München von der "Spick-Mich"-Entscheidung des BGH.

Vor dem OLG München hat unsere Kanzlei einen wichtigen Erfolg für einen HNO-Arzt erstritten, der auf dem Ärztebewertungsportal Jameda schlecht benotet wurde. Jameda musste nicht nur die grob falsche und verzerrende Darstellung des Behandlungsablaufs löschen, sondern auch die darauf beruhende schlechte Bewertung seiner Praxis mit den Schulnoten 5 und 6. Denn, so das OLG München, die Benotung "steht und fällt" mit der Beschreibung der Behandlung. Und da diese falsch war, musste auch die Benotung entfernt werden.

Damit setzt sich das OLG München deutlich von der sogenannten "Spick-Mich"-Entscheidung des BGH ab. Darin hatte das oberste deutsche Zivilgericht Benotungen als freie Meinungsäußerungen für zulässig erklärt.

Seit dem Jahr 2009 stützen sich sämtliche Bewertungsportale, darunter auch die Ärzte-Bewertungsportale jameda.de und sanego.de, auf diese BGH-Entscheidung und weigern sich, von Patienten in einer Bewertung vergebene schlechte Noten zu löschen. Auch im vorliegenden Fall hatte jameda unter Verweis auf die „Spick mich“-Entscheidung des BGH die geforderte Löschung der schlechten Benotung verweigert. Für die Ärzte ist diese Löschpraxis sehr misslich, denn es gelang ihnen bislang zwar, falsche Behauptungen entfernen zu lassen. Die darauf beruhenden schlechten Noten blieben jedoch bestehen und beschädigten weiterhin ihre Reputation.

Die Entscheidung des OLG München verbessert die Rechtsschutzmöglichkeiten bewerteter Personen oder Unternehmen somit ganz erheblich. Die Bewertung, um die es ging, lautete wörtlich:

"kein guter Arzt

es war eine recht kurze Untersuchung. Weil ich Druck auf den Ohren hatte wurde der Blutdruck gemessen, der untere Wert war etwas hoch worauf er meinte....haben sie noch Fragen? Dann hat er einen Hörtest gemacht bei dem er sich mit seiner Sprechstundenhilfe unterhalten hat und dann gemeint hat das könnte auch besser sein.
Zum Schluss hat er mir dann empfohlen mein Halszäpfchen operieren zu lassen weil ich schnarche.“

Diese Bewertung war in dreierlei Hinsicht rechtswidrig:

1. Keine Unterhaltung mit der Sprechstundenhilfe während des Hörtests

Der Patient behauptete, dass unser Mandant sich während eines Hörtests mit einer Sprechstundenhilfe unterhalten habe. Diese Behauptung ist falsch, weil der Arzt sich aufmerksam dem Hörtest gewidmet und nicht mit der Sprechstundenhilfe gesprochen hatte. Das hat auch die Sprechstundenhilfe eidesstattlich versichert. Im Prozess ist dies letztlich auch unstrittig geblieben.

2. Unvollständige Schilderung des Behandlungsverlaufs

Zweitens wurde der Behandlungsablauf wie folgt falsch und unvollständig dargestellt:

„Weil ich Druck auf den Ohren hatte, wurde der Blutdruck gemessen, der untere Wert war etwas hoch, worauf er meinte… haben Sie noch Fragen? Dann hat er einen Hörtest gemacht… und dann gemeint, das könnte auch besser sein.“

Der Patient verschwieg, dass der Arzt den HNO-Apparat des Patienten unter Einbeziehung der Nase, des Rachens, des Kehlkopfes und der Ohren jeweils mit einem Untersuchungsmikroskop eingehend untersucht, dann eine Ohrenspülung durchgeführt, einen Gehörtest mit Kopfhörern durchgeführt und den Blutdruck gemessen hat. Außerdem hat der Mandant dem Patienten empfohlen, ein Hörgerät zu verwenden und den festgestellten erhöhten Blutdruck mit Nitro-Spray zu behandeln und durch den Hausarzt nachbehandeln zu lassen. All dies ist erstinstanzlich unstrittig geblieben und zum Teil ausdrücklich im Urteil des LG München als unstreitiger Sachverhalt festgestellt worden.

3. Schlechte Benotung

Drittens wurde der Arzt äußerst schlecht benotet. In den Kategorien „Behandlung“, „Vertrauensverhältnis“ und „Betreuung“ erhielt er die Note „6“ und in den Kategorien „Aufklärung“ und „genommene Zeit“ die Note „5“. Dies war unangemessen, da die Tatsachengrundlage für diese Bewertung fehlte.

Wir forderten die jameda GmbH im Namen des Arztes im ersten Schritt auf, die Falschbehauptung zum Sprechen während des Hörtests, sowie die unvollständige Darstellung ebenso zu löschen wie die schlechte Benotung.

Nachdem das Portal die Löschung der falschen bzw. unvollständigen Tatsachenbehauptungen und der darauf beruhenden Benotung verweigert hatte, beantragten wir im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem Landgericht München, der jameda GmbH die Verbreitung dieser Inhalte zu verbieten. Konkret haben wir von Jameda verlangt, folgendes zu unterlassen:

  1. zu verbreiten, der Mandant habe sich während des Hörtests mit der Sprechstundenhilfe unterhalten,
  2. zu verbreiten, der Mandant habe den Patienten (nur) wie folgt behandelt und aufgeklärt: „Weil ich Druck auf den Ohren hatte, wurde der Blutdruck gemessen, der untere Wert war etwas hoch, worauf er meinte… haben Sie noch Fragen? Dann hat er einen Hörtest gemacht… und dann gemeint, das könnte auch besser sein.“
  3. Benotungen des Arztes unter Berufung auf die in der Bewertung (verkürzt) geschilderte Behandlung in den Kategorien „Behandlung“, „Vertrauensverhältnis“ und „Betreuung“ mit der Note 6 und in den Kategorien „Aufklärung“ und „Genommene Zeit“ mit der Note 5 zu verbreiten.

Jameda verpflichtete sich nach Einleitung des Verfahrens dazu, die Tatsachenbehauptungen, d.h. die Behandlungsschilderung zu löschen und nicht mehr zu verbreiten. Stehen gelassen wurden allerdings die Überschrift „Kein guter Arzt“ und die schlechten Schulnoten. All dies geschah ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Jameda meinte also, dass in Wahrheit keine Unterlassungsansprüche bestanden hätten und beantragte deshalb, dem Arzt die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Das Landgericht München vertrat erstinstanzlich die Auffassung, dass zwar die Verbreitung der falschen Tatsachenbehauptung des Sprechens während des Hörtests unzulässig gewesen sei, die unvollständige Darstellung des Behandlungsablaufs und die Benotungen jedoch zulässig gewesen seien. Daher wurden die Kosten des Verfahrens weit überwiegend dem Arzt auferlegt.

Dagegen wehrte sich der Arzt, erneut vertreten durch HÖCKER Rechtsanwälte, in einem Beschwerdeverfahren vor dem OLG München.

Das OLG München hat dem Arzt in dieser Entscheidung vollumfänglich Recht gegeben und ihm die volle Kostenerstattung zugesprochen: In seinem Beschluss vom 17.10.2014, Az. 18 W 1933/14 stellt das OLG München fest, dass die Verbreitung der falschen Behauptung, der Arzt habe während des Hörtests gesprochen, unzulässig gewesen sei. Ebenso unzulässig sei die unvollständige Schilderung des Behandlungsablaufs gewesen, durch die der Leser den falschen Eindruck gewonnen habe, der Arzt habe den Patienten nicht voll umfassend untersucht.

Bemerkenswert ist dabei, dass das OLG München der Betreiberin des Bewertungsportal ab dem Augenblick, in dem die Betreiberin davon in Kenntnis gesetzt wird, dass Inhalte der durch den Patienten eingestellten Bewertung unrichtig oder unvollständig sind, Überprüfungspflichten auferlegt, die den strengen Sorgfaltspflichten professioneller Journalisten gleichkommen. Diesen Überprüfungspflichten sei das Bewertungsportal nicht nachgekommen. Zwar habe es den Hinweis des Arztes, dass die Schilderung falsch ist, an den die Bewertung verfassenden Patienten weitergeleitet. Die Betreiberin des Bewertungsportals habe aber die Hinweise in dem anwaltlichen Schreiben des Arztes überprüfen müssen und nach einer solchen Überprüfung die Bewertung löschen müssen. Da dies nicht erfolgte, hafte das Portal auf Unterlassung.

 

RA Dr. Carsten Brennecke:

"In der Praxis führt diese Entscheidung zu einschneidenden Veränderungen zu Lasten professioneller Bewertungsportale wie jameda oder sanego. Diese müssen künftig einerseits bei einer Beanstandung einer Bewertung Sorgfaltspflichten beachten, die den für Journalisten geltenden journalistischen Sorgfaltspflichten entsprechen. Nimmt das Bewertungsportal seine Überprüfungen etwa im Hinblick auf die Vollständigkeit einer Sachverhaltsschilderung nicht vor oder kommt das Portal nicht zur richtigen Entscheidung, nämlich zur Löschung der Bewertung, so haftet der Portalbetreiber.

Einschneidend ist die Entscheidung aber vor allem deshalb, weil die bisherige Praxis der Bewertungsportale insbesondere des Portals jameda.de, nach einer Beanstandung des Arztes höchstens die Sachverhaltsschilderung, nicht aber die schlechte Notenbewertung zu löschen, nicht mehr haltbar ist. Die BGH-Entscheidung zu „Spick mich“ ist insoweit ausgehebelt! Auf Basis der Entscheidung des OLG München müssen die Bewertungsportale nun auch schlechte Benotungen löschen, wenn die dazu genannte Sachverhaltsschilderung zum Teil unwahr oder unvollständig ist."