Pranger-Berichterstattung der BILD verboten: Landgericht München I verbietet, den Sylt-Sänger in der BILD-Berichterstattung erkennbar zu machen

BILD hat in einer Aufsehen erregenden Berichterstattung mehrere junge Menschen bebildert und unter Nennung des abgekürzten Namens erkennbar an den Pranger gestellt, weil sie auf Sylt im Club Pony zum Hit von Gigi D´Agostinos „L´amour toujour“ „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ gesungen haben.

Tatsächlich berichtete die BILD weder über ein neues, noch über ein einzigartiges Phänomen. Zahlreiche andere Leitmedien hatten bereits seit Monaten darüber berichtet, dass sich solche Vorfälle dutzendfach immer wieder in ganz Deutschland zugetragen hatten. Obwohl die Öffentlichkeit über solche Vorgänge bereits seit Wochen vielfach durch die Presse informiert wurde, nutzte die BILD die sich in diesem Fall ergebende Chance, gut situierte junge Menschen aus gutem Haus aus der großen Masse derer, die in Deutschland immer wieder die Parole gesungen haben, selektiv herauszupicken und diese öffentlich in einer Art mittelalterlichen Pranger vorzuführen.

Die Berichterstattung hatte für die Betroffenen fatale Folgen: Sie verloren ihre Jobs, ihre Ausbildungsperspektive und eine Vielzahl ihrer sozialen Kontakte. Sie wurden von der Polizei aufgrund akuter Gefährdungslagen wegen zu befürchtender Übergriffe gewarnt und können sich deshalb nur noch eingeschränkt in der Öffentlichkeit bewegen. Es kam zudem zu Beschimpfungen und zu Bedrohungen.

Das Landgericht München I hat nun auf Antrag von HÖCKER im Namen eines beteiligten Sängers gegenüber der Verlegerin der BILD (Axel Springer Deutschland GmbH) verboten, identifizierend über diesen jungen Mann zu berichten (Einstweilige Verfügung Az. 26 O 6687/24, nicht rechtskräftig)

In diesem Verfahren haben wir gezeigt, dass das Singen der Parole weder neu, noch einzigartig ist. Wir haben zudem deutlich gemacht, dass das Singen der Parole auch auf Basis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht nicht strafbar ist. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass die Parole „Ausländer raus“ sogar auf Plakaten eine zulässige Meinungsäußerung ist.

Wir haben das Gericht schließlich auf die erhebliche Prangerwirkung und die dramatischen Auswirkungen auf das berufliche und soziale Leben des Sängers hingewiesen, dessen Leben nachhaltig beschädigt wurde.

Das Landgericht München hatte der BILD vorher bereits zu Gunsten einer anderen Beteiligten verboten, diese durch abgekürzte Namensnennung und Veröffentlichung des Bildes erkennbar zu machen.

Die im Sylt-Fall ergangenen Verbote einer prangerartigen Vorführung sind nicht die ersten Verbote dieser Art, die BILD kassiert hat. Es gab vorher bereits verschiedene gleichartige Verbote, beispielsweise ein Verbot, Personen in der BILD an den Pranger zu stellen, die sich in sozialen Netzwerken mit hetzerischen Aussagen hervorgetan haben. Der BILD musste diese Rechtsprechung bekannt sein, sodass ihr bei einer sogfältigen rechtlichen Prüfung der Berichterstattung eigentlich hätte bewusst sein müssen, dass eine solche prangerartige Vorführung nicht gerechtfertigt sein kann.

Die BILD-Chefredakteurin Marion Horn meldete sich zum Verbot öffentlich zu Wort und griff die unabhängigen Richter des Landgerichts München an. Das Verbot sei „eine miese Nachricht, nicht nur für die vielen Kollegen bei BILD mit Migrationshintergrund, sondern für uns alle“.

Dr. Carsten Brennecke: „Frau Horn zeigt damit ein zweifelhaftes Rechtsverständnis und fremdelt mit unserem Rechtstaat. Natürlich dürfen BILD & Co auch künftig über solche Fälle berichten und ein etwaiges Informationsinteresse bedienen. Grenzen setzt das Landgericht München aber richtigerweise dann, wenn es nicht mehr darum geht, die Leser sachlich über ein gesellschaftliches Phänomen zu informieren, sondern wenn es wie in der Sylt-Berichterstattung nur noch darum geht, Klicks durch eine Hexenjagd, durch die Reaktivierung eines mittelalterlichen Prangers zu generieren. Dass Boulevardblätter wie die BILD in Deutschland nicht das Recht haben, Menschen dadurch zu bestrafen, dass sie an den Pranger gestellt werden und dadurch deren Leben zerstört wird, ist keine miese, sondern eine gute Nachricht. Wer seinen moralischen und juristischen Kompass nicht völlig verloren hat, wird zustimmen, dass es gut ist, dass wir die Zeiten des Prangers in Deutschland überwunden haben."