OLG München: Rechtsmissbräuchlich handelt, wer eine Abmahnungserwiderung verschweigt.
Das Oberlandesgericht München hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, da die Antragsteller im Antrag die Abmahnungserwiderung nicht vorgelegt hatten (Urt. v. 08.06.2017, Az.: 29 U 1210/17). Der 29. Zivilsenat bewertete ein solches Vorgehen als rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG bzw. § 242 BGB. Damit bestätigte der Senat die erstinstanzliche Zurückweisung (LG München I, Urt. v. 14.03.2017, Az. 33 O 2806/17). Auch das Landgericht München I hatte ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Antragsteller angenommen.
Auf die Abmahnung wegen eines angeblich wettbewerbswidrigen Verhaltens hatte HÖCKER im Namen der späteren Antragsgegner geantwortet und sich umfangreich zur Sach- und Rechtslage geäußert. Am Schluss des Schreibens wurde darauf hingewiesen, dass diese Erwiderung einem etwaigen Antrag an das Gericht beizufügen sei. Das taten die Antragsteller jedoch nicht, sondern beantragten den Erlass einer einstweiligen Verfügung „ohne mündliche Verhandlung“ und führten in der Begründung aus, dass trotz Abmahnung keine Unterlassungserklärung abgegeben worden sei.
Dieses Verhalten bewertet der Senat als rechtsmissbräuchlich und erkannte in dem Verhalten der Antragsteller eine „grobe Verletzung“ der „prozessualen Wahrheitspflicht“. Diese seien nach § 138 Abs. 1 ZPO verpflichtet gewesen, dem Gericht mitzuteilen, dass die Antragsgegner die Ansprüche vorprozessual zurückgewiesen haben. Ferner hätten sie die Abmahnungserwiderung vorlegen müssen. Dabei wiege es besonders schwer, dass ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung gestellt worden sei und dass die Antragsgegner die Antragsteller schon in der Erwiderung auf die prozessuale Wahrheitspflicht hingewiesen hatten. Unerheblich sei hier auch, dass die Antragsgegner zusätzlich eine Schutzschrift (nebst Erwiderung) hinterlegt hatten, da die Antragsteller versucht hätten, „sich unter planmäßig-gezielter Gehörsvereitelung einen Titel zu erschleichen“.
Rechtsanwalt Dr. Christian Conrad:
„Es ist absolut üblich, im einstweiligen Verfügungsverfahren Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung zu beantragen. Leider ist es ebenso üblich, dass Antragsteller dem Gericht nur die halbe Wahrheit mitteilen, um schnell einen Titel erwirken zu können. Dem hat das Oberlandesgericht München nun mit deutlichen Worten einen Riegel vorgeschoben und stärkt damit die prozessuale Wahrheitspflicht im einstweiligen Verfügungsverfahren.“