Niederlage für GÜNTER WALLRAFF: Unterlassungserklärung vor Gericht wegen falscher Behauptungen über eine Großbäckerei und wegen vorverurteilender Schmähungen des früheren Bäckereigeschäftsführers (Vergleich im Verfahren LG Köln 28 O 999/11).

Terminsbericht zur mündlichen Verhandlung im Verfahren 28 O 999/11

Günter Wallraff hatte verdeckt in einer Großbäckerei gearbeitet und in einem Buch und mehreren Interviews über die Zustände berichtet, die er dort angeblich vorgefunden hatte. Vor allem hätten er und seine Kollegen sich in der Bäckerei an heißen Blechen verbrannt. HÖCKER vertrat im Verfahren die Interessen der mittlerweile in Liquidation befindlichen Großbäckerei und ihres früheren Geschäftsführers.

Dass sich Bäcker in dem Unternehmen unserer Mandanten, wie in jeder anderen Bäckerei, bei ihrer Arbeit Verbrennungen zuzogen, wurde von unseren Mandanten nie bestritten. Verbrennungen kommen in Bäckereien typischerweise vor. Es kann in der Praxis immer nur darum gehen, das Auftreten solcher unvermeidlichen Unfälle durch geeignete Schutzmaßnahmen (die vorliegend getroffen wurden) so gering wie möglich zu halten. Wallraffs Schilderungen wären also sehr unspektakulär gewesen, wenn er nur wahrheitsgemäß berichtet hätte, dass es auch in der Bäckerei unserer Mandanten zu solchen bäckereitypischen Unfällen kam. Möglicherweise veranlasste ihn dieser Umstand, seine Schilderungen massiv zu übertreiben und zum Teil auch schlichte Falschbehauptungen aufzustellen. Wallraffs Übertreibungen und die PR-Kampagne, die er zum Zwecke der Absatzförderung seines "Enthüllungsbuches" zu diesem Fall betrieb, führten im Ergebnis dazu, dass das Unternehmen seinen größten Kunden verlor. Die Bäckerei unseres Mandanten, ein Traditionsunternehmen, das in einem strukturschwachen ländlichen Raum seit über 110 Jahren Arbeitsplätze geschaffen und gesichert hatte, musste stillgelegt werden. Alle dort beschäftigten Kollegen verloren ihre Arbeit.

Im einstweiligen Verfügungsverfahren 28 O 999/11 vor dem LG Köln ging es nun um die Zulässigkeit einiger konkreter Äußerungen des Enthüllungsjournalisten. Die Bäckerei und ihr früherer Geschäftsführer verlangten, dass Wallraff diese falschen Äußerungen künftig unterlässt. Die mündliche Verhandlung vor dem LG Köln vom 06.01.2012 stieß auf ein großes Medieninteresse. Herr Wallraff nutzte sie während seiner Vernehmung, um sich immer wieder zu den Medienvertretern anstatt zum Gericht zu wenden, sein Buch zum Fall hoch zu halten und explizite Werbung dafür zu machen ("Das steht auch alles in meinem Buch!").

Die Verhandlung endete mit einem Vergleich, in dem Herr Wallraff sich verpflichtete, bis auf einen Teilaspekt alle von unseren Mandanten angegriffenen Äußerungen künftig zu unterlassen. Hierzu wurde er durch die Eingangsäußerung der Vorsitzenden Richterin veranlasst, die ihm deutlich gemacht hatte, dass er im Falle seines Nichteinlenkens jedenfalls teilweise mit dem Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen ihn hätte rechnen müssen. Die Parteien vereinbarten ausdrücklich, dass bestimmte deutlich abgeschwächte Formen dieser Vorwürfe nicht vom Unterlassungsgebot erfasst sind. Das bedeutet nicht, dass unsere Mandantin diese abgeschwächten Äußerungen teilt. Auch dies wurde in dem Vergleich festgehalten.

Der gerichtliche Vergleich lautete wie folgt:

I. Der Antragsgegner (also Günter Wallraff, Anm. d. Verf.) verpflichtet sich, bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Vertragsstrafe, die von den Gläubigern (d.h. von der Großbäckerei und ihrem früheren Geschäftsführer, Anm. d. Verf.) nach billigem Ermessen festzusetzen und im Streitfall vom zuständigen Gericht zu überprüfen ist, es zu unterlassen,

1. in Bezug auf die Firma (Unternehmensname anonymisiert) in Liquidation und/oder Herrn (Name des früheren Geschäftsführers anonymisiert) zu behaupten und/oder zu verbreiten und/oder diese Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen:

a) „Die Kollegen, mit denen ich dort arbeitete, wir hatten alle Verbrennungen“.

Die Unterlassungserklärung betrifft ausdrücklich nicht die Aussage, dass nach Auffassung des Antragsgegners (also von Günter Wallraff, Anm. d. Verf.) jedoch fast alle Kollegen Verbrennungen hatten. Die Antragsteller (also die Großbäckerei und ihr Gf., Anm. d. Verf.) bestreiten weiterhin die Richtigkeit auch dieser Behauptung.

b) „Die Anlage war so marode, da wurden keine Reparaturen aus Kostengründen (ausgeführt)“.

Der Antragsgegner ist jedoch der von den Antragstellern nicht geteilten Auffassung, dass diese Reparaturen „total unzureichend“ (so Wallraff) und „absoluter Murks“ (so Wallraff) waren;

c) dass es im Unternehmen der Antragstellerin zu 1) keinerlei Reparaturen, insbesondere in Form neuer Bleche gegeben habe.

Der Antragsgegner bleibt bei der von den Antragstellern nicht geteilten Aussage, dass während seiner einmonatigen Arbeitstätigkeit im Unternehmen keine neuen Bleche am Band zum Einsatz kamen,

2. der Antragsteller zu 2) entziehe sich bis heute einer Verurteilung.

II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben, genauso wie die Kosten des Vergleichs.

Besonders bemerkenswert war Wallraffs inzwischen verbotene Behauptung, der frühere Geschäftsführer "entziehe sich einer Verurteilung" - bemerkenswert deshalb, weil das Gericht dem Geschäftsführer bereits dreimal eine vollständige Einstellung des Verfahrens angeboten hat, wenn er eine Spende leistet (Einstellung nach § 153a StPO). Hätte unser Mandant dieses Angebot angenommen, wäre er nicht vorbestraft. Der Mandant bestand mangels jeglichen Tatverdachts jedoch auf einer Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO ohne die Auflage einer Spende. Da eine Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO ohne Zustimmung des Betroffenen nicht möglich ist, erließ das Gericht daraufhin einen Strafbefehl in Form einer Verwarnung unter Strafvorbehalt. Dies kommt einer "Geldstrafe auf Bewährung" gleich, stellt also die mildeste denkbare Form einer Bestrafung dar, gegen die unser Mandant derzeit weiterhin vorgeht. Damit ist jedoch immerhin klar, dass das Gericht der Angelegenheit keine hohe Bedeutung beimisst. Vor diesem Hintergrund ist die demagogische und vorverurteilende Behauptung Wallraffs, unser Mandant entziehe sich einer Verurteilung, geradezu grotesk. Wallraffs Aussage ist aber exemplarisch für die Art und Weise seines Vorgehens: Er bläst Petitessen, die das Gericht nach § 153a StPO gar nicht weiter verfolgen wollte, durch Übertreibungen und Falschbehauptungen zu einem absurden Popanz auf, den er dann öffentlichkeitswirksam prügelt, um seine Bücher besser verkaufen zu können.

Am 02.03.2011 hatte Wallraff übrigens schon einmal eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Darin verpflichtete er sich, unwahre Behauptungen nicht zu wiederholen, wonach Mitarbeiter der Großbäckerei einen Stundenlohn von lediglich sechs Euro erhalten hätten und im Extremfall bis zu 420 Stunden im Monat gearbeitet haben sollen. Zudem verpflichtete sich Wallraff, die falsche Äußerung zu unterlassen, in den Brötchenpackungen seien Fungizide enthalten gewesen und Brötchen seien so haltbar gemacht worden, dass sie nachher versteinerten. All diese Behauptungen waren falsch. Wallraff gab daher eine Unterlassungserklärung mit folgendem Inhalt ab:

Herr Günter Wallraff verpflichtet sich gegenüber der Firma (Unternehmensname)

1. es bei Meidung einer für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung zu zahlenden Vertragsstrafe, die von der Firma (Unternehmensname) festgesetzt wird und deren Höhe vom zuständigen Gericht überprüft werden kann, zu unterlassen, in Bezug auf die Firma (Unternehmensname) die nachstehenden Äußerungen und/oder Behauptungen zu verbreiten oder verbreiten zu lassen und/oder zu veröffentlichen oder veröffentlichen zu lassen:

"Wir kriegten ja sechs Euro vielleicht die Stunde."

und/oder

"Und selbst hier die Kollegen, die konnten sich ja umsonst zwei Packungen mitnehmen, also es waren Fungizide drin. Es war haltbar gemacht, dass es nachher versteinerte."

und/oder

"Es kam vor, dass im Extremfall Kollegen 420 Stunden im Monat bis zum Umfallen arbeiteten."

Rechtsanwalt Prof. Dr. Ralf Höcker:

"Günter Wallraff stellt in seinen angeblichen Enthüllungsreportagen falsche und maßlos übertriebene Behauptungen auf. Damit macht er zwar seine Bücher spektakulärer und kann sie besser verkaufen. Auf der Strecke bleiben aber die Wahrheit, die betroffenen Unternehmen und in diesem Fall auch die dort beschäftigten Kollegen, die alle arbeitslos wurden."