Medien haben Stellungnahmen in angemessenen Umfang wiederzugeben. Süddeutsche Zeitung erkennt Verbot des LG Köln an.
Bei der Berichterstattung über Vorwürfe haben die Medien besondere Anforderungen einzuhalten: Die Regeln über eine sog. Verdachtsberichterstattung. Eine der zu beachtenden Voraussetzungen ist, dass der Betroffene stets angehört werden muss und dadurch die Gelegenheit zur Stellungnahme bekommt.
Umstritten war bislang, in welchem Umfang die Journalisten dem Betroffenen den Sachverhalt mitteilen müssen, auf den sie den Verdacht stützen. Zudem war bislang nicht geklärt, wie eine für den Betroffenen abgegebene Stellungnahme im Artikel dargestellt werden muss.
Das Landgericht Köln hat diese Grundsatzfragen nun entschieden und ist dabei der Argumentation von HÖCKER gefolgt. Das Gericht stellte fest, dass die Süddeutsche Zeitung die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anfrage sowie an die Wiedergabe der abgegebenen Stellungnahme nicht erfüllt hatte, weil sie die Stellungnahme nur verkürzt und in Teilen sogar sinnentstellt wiedergegeben hatte. Dies führte dazu, dass der gesamte Artikel gerichtlich verboten wurde.
In dem rechtskräftigen Urteil vom 21.06.2017 (Az: 28 O 357/16) hat das Landgericht u.a. ausgeführt:
„Hat der Betroffene - wie hier der Fall - eine substantiierte Stellungnahme zu den berichteten Vorwürfen abgegeben, so muss diese zumindest in ihren wesentlichen Punkten in die Berichterstattung aufgenommen werden, da eine pauschale oder sinnentstellende zusammenfassende Wiedergabe die mögliche Überzeugungskraft der Entgegnung entwerten könnte."
Und weiter:
"In Anbetracht der Tatsache, dass es Sinn und Zweck der Möglichkeit der Stellungnahme ist, den Standpunkt des Betroffenen zu den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen in Erfahrung zu bringen, um dessen Position dem Rezipienten zu vermitteln, ist es zum einen erforderlich, dass dem Betroffenen substantiiert der Sachverhalt zur Stellungnahme vorgelegt wird, der den Verdacht begründet. Denn allein hierdurch wird der Betroffene in die Lage versetzt, im Einzelnen den vorgehaltenen Tatsachen und Argumenten zu entgegnen. Wenn er jedoch diese Möglichkeit nutzt und der Presse die seines Erachtens für ihn streitenden Argumente nennt, müssen diese in einer dem Umfang des Artikels und der Bedeutung und Tragweite des Vorwurfs angemessenen Weise berücksichtigt und zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht werden (vgl. Hohmann, NJW 2009, 881 (882)). Denn Stellungnahmen oder Indizien, die von dem aufgestellten Verdacht entlasten, dürfen nicht verschwiegen werden, sondern es ist ausgewogen sowohl über die belastenden als auch über die entlastenden Umstände zu berichten (vgl. Wagner in: Münchener Kommentar zum BGB, /.Auflage 2015, § 824 BGB, Rn. 53; Rinsche, AfP 2014, 1 (5)).“
Hieraus folgt:
1. Vor der Veröffentlichung einer Berichterstattung muss dem Betroffenen substantiiert der Sachverhalt zur Stellungnahme vorgelegt werden.
2. Hat der Betroffene selbst oder durch seine (anwaltlichen) Vertreter eine Stellungnahme abgegeben, muss diese zumindest in ihren wesentlichen Punkten im Bericht wiedergegeben werden.
Die Süddeutsche Zeitung hat dieses Verbot mittlerweile akzeptiert und gegen das Urteil keine Rechtsmittel eingelegt.
Rechtsanwalt Dr. Julian Rodenbeck:
„Einseitig dargestellte Vorwürfe können gravierende Folgen für den Betroffenen haben. Die Entscheidung sorgt für Klarheit zugunsten der Betroffenen, da sie die Medien verpflichtet, den Betroffenen substantiiert mit den Vorwürfen zu konfrontieren und dessen Sichtweise angemessen zu berücksichtigen.“