LG Düsseldorf: Sog. „Tauhid-Gruß“ darf als „IS-Gruß“ bezeichnet werden

Das Landgericht (LG) Düsseldorf hat eine gegen einen HÖCKER-Mandanten gerichtete Klage mit Urteil vom 10.07.2024 (Az.: 12 O 251/23, nicht rechtskräftig) vollumfänglich abgewiesen.

Die Kläger erlangten im Juli 2022 mediale Bekanntheit, als sie auf dem Rollfeld des Düsseldorfer Flughafens dabei gefilmt wurden, wie sie den sog. „Tauhid-Gruß“ zeigten. Dabei streckten sie die Hand in die Luft, wobei sie den rechten bzw. linken Zeigefinger erhoben hatten. Das von einem Passagier gefilmte Video gelangte über TikTok bundesweit in die Medien. Es kam zu mehreren (teilweise im Anschluss gerichtlich untersagten) Presseberichten über diesen Vorgang, die das Zeigen dieses Grußes auf dem Rollfeld eines Flughafens mit sicherheitsrelevanten Fragestellungen verknüpften.

Auch der Beklagte, zu diesem Zeitpunkt Abgeordneter einer Partei in einem Landtag, berichtete – gestützt auf Medienberichte, eine Agenturmeldung und behördliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr – über diesen Vorfall auf einer von ihm mit Bezug zu seinem Mandat privat betriebenen, lokalen Website. Nachdem ihn die Kläger abgemahnt hatten, löschte er den Beitrag, gab jedoch keine Unterlassungserklärung ab. In der Folgezeit trat er aus seiner Partei aus und nicht mehr erneut zur Wahl an; zudem löschte er nach Ausscheiden aus dem Landtag und der Partei die konkrete Website vollständig. Die Kläger verklagten ihn (sowie zahlreiche Medien) sodann, konkret u.a. auf Unterlassung (von Wort- und Bildberichterstattung), Berichtigung und Geldentschädigung.

Mit Urteil vom 10.07.2024 hat das LG Düsseldorf die Klage vollumfänglich abgewiesen. Dabei hat das Gericht hinsichtlich der geltend gemachten Unterlassungsanträge insbesondere betont, dass es hier – in dieser Sondersituation – an der sog. Wiederholungsgefahr mangele. Zwar werde diese grds. vermutet und könne im Regelfall nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt werden. Hier liege aber eine einmalige Sondersituation vor, da der streitigen Äußerung eine spezielle, im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht wiederholbare Situation zugrunde liege. Dabei stellte das Gericht v.a. darauf ab, dass der Beklagte heute weder Mitglied der Partei noch Mitglied des Landtags sei und seine diesbezügliche Website auch gelöscht habe. Damit sei hier die Wiederholungsgefahr auch ohne Abgabe einer Unterlassungserklärung entfallen. Auch ein Anspruch auf Berichtigung scheide aus, da sich dieser v.a. auf Meinungsäußerungen bezogen habe. Hierzu führte das Gericht insbesondere zu der gezeigten Geste aus:

„(…) Die Aussage „… zeigten … den IS-Gruß!“ enthält eine Meinungsäußerung und keine Tatsachenbehauptung. Die Formulierung beinhaltet eine Wertung, die an das tatsächliche Verhalten der Kläger anknüpft. Die Kläger haben mit der Geste des erhobenen Zeigefingers eine Handlung vorgenommen, die nicht nur allgemein, sondern auch im muslimischen Kontext mehrdeutig ist (LG Karlsruhe GRUR-RS 2023, 28571 Rn. 26). Die Geste mag auch in friedlicher Absicht von Prominenten und Sportlern vorgenommen werden. Es handelt sich aber unstreitig auch um eine Geste, die zumindest in jüngerer Zeit von Anhängern der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (kurz: „IS“) und deren Sympathisanten, Anhängern von islamistisch-extremistischem Gedankengut sowie Attentätern benutzt wird. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Kläger zu X. den für einen „IS-Gruß“ „falschen“ Arm, nämlich den linken statt den rechten erhoben hatte, da der breiten Öffentlichkeit diese Differenzierung unbekannt sein dürfte (vgl. LG Karlsruhe a. a. O. Rn. 27). (…)“

Sofern sich der Anspruch auf Berichtigung auf Tatsachenbehauptungen bezog, könne sich der Beklagte zudem auf das sog. Laienprivileg berufen. Der Beklagte habe hier den Sorgfaltspflichten genügt, da die von ihm verbreiteten Tatsachen Gegenstand der vorangegangenen medialen Berichterstattungen anerkannter Zeitungen und zum Zeitpunkt seines Beitrags auch nicht erkennbar überholt oder widerrufen waren. Zudem hätten die Kläger der Abmahnung keinen Hinweis auf ein zu diesem Zeitpunkt bereits existierendes Verbot des LG Berlin bzw. eine zu diesem Zeitpunkt bereits erwirkte, anderweitige Unterlassungserklärung beigefügt. Nach Erhalt der Abmahnung hatte der Beklagte den Beitrag sodann auch unmittelbar gelöscht. Zuletzt verneinte das LG Düsseldorf auch einen Anspruch auf Geldentschädigung, da nicht festgestellt werden könne, dass der streitige Beitrag des Beklagten zu einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung der Kläger geführt habe. Auch hier greife zudem das Laienprivileg.

Rechtsanwalt Dr. Christian Conrad: „Es ist begrüßenswert, dass das Gericht festgestellt hat, dass sich auch Abgeordnete auf das sog. „Laienprivileg“ berufen können. Hintergrund ist der Gedanke, dass auch diese Personengruppe auf den Inhalt anerkannter Medien vertrauen darf, was der Presse ihre eigenen Sorgfaltspflichten noch einmal vor Auge führen sollte. Es mag zudem vielfältige Gründe geben, den sog. Tauhid-Gruß zu zeigen. Die Vielzahl der Grüßenden verwendet ihn völlig unverfänglich. Fakt ist aber auch, dass auch Terroristen, islamistische Extremisten und Attentäter diesen Gruß zeigen. Daher ist es rechtlich zulässig (und von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt), diese Geste als „IS-Gruß“ zu bezeichnen. Eine Grenze wird erst dann überschritten, wenn man – ohne weitere Belege bzw. Anhaltspunkte – den Grüßenden nur deshalb als Terrorist o.ä. bezeichnet.“