Keine Sonderbehandlung für Qualitätszeitungen: Wenn die Frankfurter Rundschau "kritisch" über die Veröffentlichung von Details aus Kachelmanns angeblichem Sexualleben in "BILD" berichtet, rechtfertigt dies keinen wiederholten Abdruck im eigenen Blatt.

Die Frankfurter Rundschau hatte sich mit der Berichterstattung der „BILD“-Zeitung im Fall Kachelmann auseinandergesetzt und die Frage gestellt, ob „BILD“ durch die Verbreitung intimer Details aus Kachelmanns angeblichem Sexualleben dessen Persönlichkeitsrechte verletzte. Wohl zum "besseren Verständnis" für den Leser wiederholte die Frankfurter Rundschau einige jener Schilderungen und fragte:

"Wir beteiligen uns nicht an der Spekulation, sondern fragen: Darf so etwas in der Zeitung stehen?"

Die Frankfurter Rundschau meinte: Ja.

Das Landgericht Köln meinte: Nein.

Es erließ auf Antrag von Jörg Kachelmann, vertreten durch HÖCKER eine einstweilige Verfügung gegen die Verbreitung der sexuellen Schilderungen nicht nur gegen BILD, sondern auch gegen die Frankfurter Rundschau.

(Nachtrag vom 27.08.2011: Für alle, die über meedia.de hierhin gelangt sind: Nein, HÖCKER ist keineswegs Ralf Höcker, wie Herr Winterbauer zu mißverstehen vorgibt, sondern eben zur besseren Unterscheidbarkeit vom gleichnamigen Kanzlei-Mitgründer der Name der KANZLEI)

Die Frankfurter Rundschau legte Widerspruch ein und begründete ihn damit, dass sie nur die Berichterstattung der BILD-Zeitung referiert und sich mit dieser in zurückhaltender Form im Fließtext sachlich auseinandergesetzt habe.

(Nachtrag vom 27.08.2011: Herr Winterbauer von meedia.de schreibt hier, dass sich die FR im betroffenen Artikel angeblich "sehr kritisch mit der Rolle der BILD" im Fall Kachelmann befasst habe. Der Artikel sei also "durchaus im Sinne von Jörg Kachelmann" gewesen. Mutmaßlich hat Winterbauer den Artikel, den er so vehement verteidigt, überhaupt nicht gelesen, sondern ihn nur aufgrund dieser Pressemitteilung und der unten stehenden etwas mißverständlichen Passage aus dem Gerichtsurteil blind zitiert. Sonst wäre ihm aufgefallen, dass die FR den BILD-Artikel zwar kritisiert aber im hier entscheidenden Punkt gerade nicht negativ kritisiert hat. Die Kritik war vielmehr positiv und ausdrücklich BILD-verteidigend. Die FR begründet dort ausführlich mit einer fehlerhaften juristischen Argumentation, weshalb BILD und FR sich vermeintlich mit saftigen Details über Herrn Kachelmanns angebliches Sexualleben auslassen dürfen. Guter Journalismus setzt voraus, dass man einen besprochenen Artikel zumindest gelesen hat, Herr Winterbauer!)

Der Widerspruch blieb vor Gericht erfolglos: Das Landgericht Köln entschied mit Urteil vom 17.08.2011, Az. 28 O 343/11, dass eine "kritische" Auseinandersetzung mit der rechtswidrigen Berichterstattung der „BILD“ nicht geeignet sei, ein Informationsinteresse an der Veröffentlichung sexueller Details zu begründen. Da eine Auseinandersetzung mit der Berichterstattung der „BILD“ auch ohne die Wiederholung der dort verbreiteten expliziten Schilderungen möglich ist, war ein Eingriff in die Intimsphäre Kachelmanns durch die Wiederveröffentlichung nicht erforderlich.

Aus den Gründen des Urteils LG Köln, 28 O 343/11 vom 17.08.2011:

"Dabei hat die Kammer sich von der Erwägung leiten lassen, dass die hier betroffene Intimsphäre grundsätzlich absolut geschützt ist; soll gleichwohl in diese eingegriffen werden, bedarf es hierfür jedenfalls einer besonderen Rechtfertigung. Wollte man diese in der Kritik an der Art und Weise der Berichterstattung anderer Medien grundsätzlich erkennen, so wäre wegen des Menschenwürdeghaltes der Intimsphäre und deren grundsätzlich absoluten Schutz nach Auffassung der Kammer erforderlich, sich auf die verhältnismäßigen Maßnahmen zu beschränken und nicht über die zur Erreichung des Zieles unbedingt geeigneten und erforderlichen Mittel hinauszugehen. Dies aber ist vorliegend geschehen. Die Antragsgegnerin (die Druck- und Verlagshaus Frankfurt am Main GmbH, Anm. d. Verf.) hätte durchaus andere Mittel gehabt, um ihre Kritik anzubringen. Einer ausdrücklichen Wiederholung der kritisierten Äußerung bedurfte es daher nicht. Die Kritik an der Berichterstattung der Konkurrenz kann nicht derart geführt werden, dass die eigenbtlich kritisierte Äußerung zu Lasten des Persönlichkeitsrechtsträgers durch Wiederholung perpetuiert und weiter verbreitet wird, wenn dies auch mit milderen Mitteln, z.B. der Umschreibung der kritisierten Äußerung, möglich wäre."

Prof. Dr. Ralf Höcker:

"Schmutz bleibt Schmutz, auch wenn er nicht in der BILD, sondern in der Frankfurter Rundschau steht. Herr Kachelmann muss keine Schmuddelberichte aus seinem angeblichen Sexualleben dulden, auch nicht, wenn sie als Qualitätsjournalismus getarnt daher kommen."