HÖCKER erzielt weitere Grundsatzentscheidung beim Bundesverfassungsgericht: Auch in wettbewerbsrechtlichen Eilverfahren muss rechtliches Gehör gewährt werden.

Die Gerichte müssen auch in wettbewerbsrechtlichen Eilverfahren die prozessuale Waffengleichheit und das rechtliche Gehör gewährleisten. In einer ersten von HÖCKER geführten Verfassungsbeschwerde hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dies bereits für das Presse- und Äußerungsrecht entschieden (Az. 1 BvR 1246/20).

Unklar war bislang, ob die Grundsätze auch im Gewerblichen Rechtsschutz gelten. Das BVerfG hat auf eine weitere von HÖCKER eingelegte Verfassungsbeschwerde nun erstmals zu einem wettbewerbsrechtlichen Verfügungsverfahren entschieden, dass diese Grundsätze auch im Wettbewerbsrecht gelten (Entscheidung vom 27.7.2020, Az. 1 BvR 1379/20). Weicht der Verfügungsantrag von den in der Abmahnung geltend gemachten Unterlassungsansprüchen ab, muss das Gericht den Gegner zwingend anhören. Erteilt es dem Antragsteller Hinweise, müssen diese vor Erlass der Entscheidung auch dem Gegner mitgeteilt werden.

Im Ergebnis hat das BVerfG die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen. Zwar verstoße die einstweilige Verfügung gegen die prozessuale Waffengleichheit und das Recht auf rechtliches Gehör, weil der Verfügungsantrag nicht identisch mit dem Unterlassungsbegehren aus der Abmahnung war und das Gericht einen schriftlichen Hinweis an die Antragstellerin dem Gegner nicht vor Erlass der einstweiligen Verfügung mitgeteilt habe. Allerdings fehle es in diesem konkreten Einzelfall an einem hinreichenden Feststellungsinteresse.

Die Entscheidung bietet aber auch Anlass zu Kritik: Zu dem jetzt geforderten Feststellungsinteresse hatte das Gericht Anfang Juni noch Folgendes ausgeführt:

Da die Rechtsbeeinträchtigung durch die einstweilige Verfügung in Gestalt eines weiterhin vollstreckbaren Unterlassungstitels noch fortdauert, muss der Beschwerdeführer kein besonderes gewichtiges Feststellungsinteresse geltend machen. Vielmehr genügt es, dass er weiterhin durch die angegriffene Verfügung beschwert ist (…).“

Genau diese Situation war auch in dem wettbewerbsrechtlichen Verfahren gegeben. Während das BVerfG in der Entscheidung zum Presserecht noch eine Terminierung zur mündlichen Verhandlung von ca. zwei Monaten nach Widerspruchseinlegung als zu lange bezeichnete, sah es in dem wettbewerbsrechtlichen Verfahren eine Terminierung sieben Wochen nach Widerspruchseinlegung noch als ausreichend an. Das BVerfG hatte zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde übrigens selbst fast sieben Wochen benötigt.

Unabhängig davon ist die Entscheidung ein Meilenstein, weil nun klargestellt ist, dass die Grundsätze zu Eilverfahren im Presserecht auch im Wettbewerbsrecht gelten.

Dr. Johannes Gräbig:
Einstweilige Verfügung sind gerade im Wettbewerbsrecht ein scharfes Schwert und können u.a. einen Vertriebsstopp zur Folge haben. Umso wichtiger ist es, dass sich der Antragsgegner dann auch vor Erlass einer Entscheidung umfassend verteidigen kann. Dies hat das BVerfG nun auch für das Wettbewerbsrecht klargestellt.“

Die Legal Tribune Online (LTO) berichtet hier über das Verfahren.