FDP-Politikerin Strack-Zimmermann rühmt sich mit 200 Strafanzeigen monatlich gegen Anfeindungen im Netz – ein Blick hinter die Kulissen: Wie Strack-Zimmermann deutsche Staatsanwaltschaften im Kampf gegen zulässige Meinungsäußerungen lähmt

In einem jüngst veröffentlichten Interview beschwert sich Strack-Zimmermann über „drastische Angriffe“ in sozialen Netzwerken, gegen die sie mit der bemerkenswert hohen Anzahl an Strafanzeigen von bis zu 200 monatlich vorgehe, da „die Leute auf die harte Tour lernen müssten, dass man mit drastischen Beleidigungen nicht ungeschoren davon kommt“. Strack-Zimmermanns Büroleiter berichtet sogar stolz, man habe 250 Strafanzeigen pro Monat erstattet.

Einer dieser Fälle ist auf unserem Schreibtisch gelandet. Das Verfahren wurde gerichtlich eingestellt, weil es sich um eine zulässige Meinungsäußerung eines X-Nutzers ging. Blickt man hinter die Kulissen, so zeigt jedenfalls dieser Fall, dass Strack-Zimmermann die Ressourcen der Staatsanwaltschaft mit absoluten Nichtigkeiten in Beschlag nimmt:

Ein Nutzer des Portals X hatte Strack-Zimmermann in einem Tweet öffentlich für ihre politischen Forderungen einer militärischen Unterstützung der Ukraine wie folgt kritisiert:

„Eine Aufzählung von Rüstungslobbyisten und Arschkriechern, die dem USA Imperium am liebsten ganz und in voller Güte den Arsch lecken und hinein kriechen wollen“.

Mit Unterstützung einer Anwaltskanzlei erstattete Strack-Zimmermann Strafanzeige, weil ihr politisches Engagement mit den drastischen Worten, sie würde „in Ärsche kriechen und Ärsche lecken“, dahingehend kritisiert wurde, dass sie sich gewissen politischen Interessen anbiedern würde.

Dieser Tweet ist sicherlich sprachlich geschmacklos. Dennoch ist eine solche kritische Bewertung einer politischen Haltung ganz offensichtlich eine zulässige Meinungsäußerung.

Wir haben den X-Nutzer gegen die Strafanzeige verteidigt und das Amtsgericht Düsseldorf hat das Verfahren eingestellt. Das Gericht bestätigt in seinem Einstellungsbeschluss, dass es sich bei dem Tweet um eine zulässige Meinungsäußerung handelt:

„Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze handelt es sich bei den zur Last gelegten Äußerungen nicht um eine Schmähung, weil sie Sachbezug haben. Die Äußerung erfolgte im Zusammenhang mit einem Tweet, der den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilt und Personen und Institutionen in einem weiteren Tweet in Bezug nimmt, die „Interesse an Sicherheitspolitik“ haben. Hierzu wurde mit @MAStrackZi auch die Geschädigte aufgenommen. Der Angeschuldigte kritisiert mit seinem Tweet „Arschkriecher, die dem USA Imperium am liebsten den Arsch lecken“ offenkundig auch die politische Haltung und das Wirken der vom Tweet des Stefan Quandt in Bezug genommen Personen und Institutionen im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg.“

Zur Nutzung der Begrifflichkeit „Arschkriecher“ und „Arsch lecken und hineinkriechen“ stellt das Gericht fest:

Es liegt auch keine Formalbeleidigung vor. … Im Rahmen der Auslegung ist jedoch auch der Sachbezug zu berücksichtigen, der der Äußerung vorliegend deren Intensität nimmt. Offenkundig will der Angeschuldigte eine Haltung der angesprochenen Personen kritisieren, so dass bei grundrechtsfreundlicher Auslegung nicht von einer Formalbeleidigung auszugehen ist.

Zu berücksichtigen ist zunächst der konkrete ehrschmälernde Gehalt der Äußerung. Dieser Gehalt ist vorliegend geschmälert, weil die Äußerung die Geschädigte nicht in ihrer Person als ganze betrifft, sondern ihre Haltung und Tätigkeit als Politikerin im Rahmen der Sicherheitspolitik. Darüber hinaus zielt der Beitrag aufgrund des Sachbezuges zum Ukrainekrieg nicht darauf ab, gegen die im Tweet von Stefan Quandt genannten Personen (darunter die Geschädigte) Stimmung zu machen. Vielmehr wird durch die Verknüpfung von „Rüstungslobbyisten und Arschkriechern“ eine politische Meinung transportiert, die die Unterstützung der Ukraine durch westliche Staaten ablehnt. Von Bedeutung ist auch, dass der Tweet eine Machtkritik beinhaltet und der Schutz der Meinungsfreiheit gerade aus diesem Schutzbedürfnis erwachsen ist. Hinzu kommt, dass die Geschädigte als Politikerin bewusst in die Öffentlichkeit tritt und damit vermehrt mit einer kritischen Auseinandersetzung ihrer politischen Handlungen und Haltungen rechnen muss. … Die Geschädigte ist eine allseits bekannte Politikerin des Bundes, die insbesondere für Fragen der Sicherheitspolitik zuständig ist. Ihre Haltungen und Äußerungen haben daher gerade in Zeiten des Krieges besondere Bedeutung. Die vom Angeschuldigten getätigte kränkende Äußerung kann beim Leser wegen des Sachbezuges demnach nur so verstanden werden, dass nicht die Person der Geschädigten diffamiert werden soll, sondern deren politisches Handeln. … Unter Abwägung der vorgenannten Umstände überwiegt vorliegend die Meinungsfreiheit des Angeschuldigten.“

Die Entscheidung ist rechtskräftig, Strack-Zimmermann hat dagegen keine Rechtsmittel eingelegt.

In diesem Fall stellen sich kritische Fragen:

Strack-Zimmermann hat sich bei der Erstattung der offensichtlich unbegründeten Strafanzeige gegen eine offensichtlich zulässige Meinungsäußerung durch eine Anwaltskanzlei vertreten lassen, die sicherlich nicht kostenlos gearbeitet hat. Dabei stellt sich die Frage, ob die Kosten für die Anwaltskanzlei von Frau Strack-Zimmermann aus der privaten Tasche gezahlt wurden oder aber ob die Anwaltskanzlei mit einer sinnlosen Strafanzeige gegen zulässige Meinungsäußerungen auf Kosten des Steuerzahlers tätig wurde? Das Budget des Steuerzahlers wurde jedenfalls dadurch belastet, dass sich eine durch die Steuerzahler finanzierte Staatsanwaltschaft und ein durch den Steuerzahler finanziertes Strafgericht jeweils in ihrer wertvollen Arbeitszeit, in der man sich um wirklich relevante Fälle kümmern könnte, für die Bearbeitung einer unbegründeten Strafanzeige gegen zulässige Meinungsäußerungen belastet wurden.

Dr. Carsten Brennecke: „Natürlich ist es richtig und wichtig, dass sich Politiker gegen Straftaten wie Beleidigungen und Bedrohungen im Netz rigoros zur Wehr setzen und dass Staatsanwaltschaften auch durch ausreichende personelle Ausstattung in die Lage versetzt werden, solche Straftaten wirksam zu bekämpfen. Wer aber wie Strack-Zimmermann derartige Nichtigkeiten, die als Meinungsäußerungen offensichtlich zulässig sind, durch Strafanzeigen verfolgt, der erweist dem Kampf gegen Beleidigungen und Bedrohungen einen Bärendienst. Es ist nicht sinnvoll, die ohnehin schon stark überlasteten und viel zu schwach ausgestatteten Ressourcen von Staatsanwaltschaften und Strafgerichten dadurch überzustrapazieren, dass man wie Strack-Zimmermann derart offensichtlich unbegründete Strafanzeigen gegen unliebsame Meinungsäußerungen erstattet. Die durch den Steuerzahler finanzierten Staatsanwaltschaften und Gerichte sind nicht dafür da, im Kampf gegen die verletzte Eitelkeit von Politikern sinnlos beschäftigt zu werden. Ich hoffe, dass Frau Strack-Zimmermann künftig besser selektiert, welche Aussagen sie strafrechtlich verfolgen lässt, damit die Staatsanwaltschaften mit ihren wertvollen Ressourcen dazu kommen, die wirklich relevanten Fällen verfolgen zu können.“