Marie-Luise Vollbrecht inhaltlich rehabilitiert - Äußerung des dgti e.V. darf außerhalb des spezifischen „Trans-Themen“-Kontextes nicht wiederholt werden
Das OLG Köln hat in einem Hinweisbeschluss Stellung zu einer Äußerung des dgti e.V. (Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität) bezogen (Beschl. v. 20.01.2023 – 15 U 208/22). Dieser hatte behauptet, unsere Mandantin, die Biologin Marie-Luise Vollbrecht, leugne NS-Verbrechen. Für die Mandantin hatten wir uns gegen diese evidente Falschbehauptung gewehrt. Vor Gericht hatten wir vom dgti e.V. verlangt, den Hashtag „#MarieLeugnetNS-Verbrechen“ nicht weiter zu verwenden.
Das Gericht bewertet die Äußerung nun sehr differenziert. Im Kern sagt es, dass der Vorwurf der Verbrechensleugnung außerhalb der Filterblase von Trans-Aktivisten nicht aufgestellt werden dürfte. Das ist sehr erfreulich, denn diese Filterblase ist sehr klein. Innerhalb der Blase sei die Verwendung des Hashtags aber wohl zulässig. Das Gericht meint nämlich, dass der durchschnittliche Rezipient wisse, dass die Äußerung „#MarieLeugnetNS-Verbrechen“ „durch die Brille der twitternden Transaktivisten zu sehen und zu deuten“ sei. Innerhalb dieser Community sei deshalb klar, dass sich die Äußerung nur auf eine „weitere Trans-Themensetzung“ beziehe. Der Rezipient wisse daher auch, dass es nicht um den Vorwurf eines „generellen Holocaust-Leugnens“ im klassischen Sinne gehe, sondern um ein „Leugnen“ der von den Transaktivisten selbst definierten weiten Opfergruppen.
Außerhalb dieser Filterblase der Transaktivsten sei eine solche Äußerung aber in der Regel unzulässig.
Das OLG Köln sagt dazu Folgendes:
„In einer isolierten, kontextlosen und pauschalen Aussage wäre es - ausgehend von diesem allgemeinen Sprachgebrauch - im Zweifel wohl in der Tat unzulässig, sich dahingehend zu äußern, die Verfügungsklägerin habe „NS-Verbrechen“ (gemeint: im „klassischen Sinne“) geleugnet […]“
Das Gericht ordnet die Äußerung zutreffend als Teil der Versuche bestimmter Gruppierungen ein, die Deutungshoheit über den Begriff der „NS-Verbrechen“ zu erlangen. Im Rahmen dieses „Kampfes“ um Begrifflichkeiten, Kategorisierungen und vermeintliche historische Wahrheiten kommt es nach Auffassung des Gerichts nicht darauf an, dass das weit gefasste Opferverständnis der einschlägigen Aktivisten „historisch möglicherweise so nicht belegbar“ sei, sondern nur darauf, dass die Bezeichnung als „Leugner“ gewissermaßen denklogisch aus der aktivistischen einseitigen Begriffsumbildung folge.
Begrüßenswert ist außerdem die inhaltlich umfängliche Rehabilitierung von Marie-Luise Vollbrecht. Das Gericht sagt ausdrücklich,
„dass die Verfügungsklägerin im Verfahren und auch sonst deutlich gemacht hat, nicht (einzelne) „NS-Verbrechen“ (auch) an Transsexuellen als ohnehin klar belegbare historische Fakten in Abrede stellen zu wollen, sondern primär die Singularität der Shoah als historische Tatsache und herrschende Meinung in der Geschichtswissenschaft verteidigt zu haben. […] [N]ationalsozialistische Willkürakte auch gegen Transsexuelle jedenfalls in den historisch beschriebenen Fällen hat die Verfügungsklägerin niemals in Abrede gestellt.“
In seinem Hinweisbeschluss hat das OLG Köln damit auch – als unseres Wissens erstes deutsches Gericht – festgestellt, dass im Bereich der Opfergruppen des Nationalsozialismus nicht mehr nur Geschichtswissenschaft, sondern verstärkt auch aktivistische Begriffsbildung betrieben wird, gegen die unsere Mandantin, Marie-Luise Vollbrecht, durch ihre Betonung der Singularität der Shoah, des Völkermords an den europäischen Juden durch die Nationalsozialisten, Position bezogen hat.
Mit diesen Feststellungen und der damit verbundenen inhaltlichen Rehabilitierung unserer Mandantin sind wir sehr zufrieden. Es ging unserer Mandantin vor allem darum, sich von dem Vorwurf der Leugnung von NS-Verbrechen im „klassischen Sinne“ zu befreien. Dieses Ziel haben wir erreicht. Dass dieser falsche Vorwurf innerhalb der Filterblase von Transaktivisten weiterhin vertreten werden darf, weil sie den Begriff der NS-Verbrechen in historisch verfälschender Weise schlicht umdeutet, halten wir zwar für falsch. Da diese Blase aber sehr klein ist, gibt sich die Mandantin mit dem Erreichten zufrieden und hat sich entschieden, das Verfahren nicht weiter zu verfolgen und den Verfügungsantrag zurückgenommen.
Wer – außerhalb der transaktivistischen – Filterblase künftig die Falschbehauptung aufstellt, unsere Mandantin leugne NS-Verbrechen, muss dagegen weiterhin damit rechnen, dass sie mit allen rechtlichen Mitteln dagegen vorgeht. Hierbei hilft ihr nun der Hinweisbeschluss des OLG Köln.