Interview Dr. Carsten Brennecke
Dr. Carsten Brennecke, Partner, über die HÖCKER-Philosophie
“Wir vertreten jeden, denn ´Rechtsstaat ja, aber nicht für jeden´ ist keine Option“
Carsten Brennecke gründete HÖCKER Rechtsanwälte 2007 zusammen mit Ralf Höcker. Im Interview erklärt er, warum die Kanzlei auch die AfD vertritt, was HÖCKER so anders macht als andere Kanzleien und welcher Typ Mensch in der Kanzlei richtig ist.
Carsten, wenn man “HÖCKER Rechtsanwälte” googelt, findet man auf den ersten Seiten Ergebnisse, die Bewerber vielleicht ins Grübeln bringen. Das erste Stichwort: „AfD-Kanzlei…“
Der Begriff bildet die Kanzlei nicht ab. Wir vertreten auch CDU, SPD, FDP, GRÜNE und Linke. Auch personell sind wir bunt. Bei uns arbeiten Juden und Muslimas, Christen und Atheistinnen. Ich selbst bin bei den Grünen und wir haben CDU- und SPD-Mitglieder im Team. AfD-Mitglieder haben wir nicht. Ralf Höcker war in der CDU und es ist sicher so, dass er migrationspolitisch eine Meinung vertritt, die sehr konservativ ist. Nicht im Sinne von hart rechts, aber er ist der Ansicht, dass man gewisse Grenzen setzen sollte. Richtig ist aber auch, dass Ralf als offen schwuler Mann eines der ersten Mitglieder der LSU (Lesben und Schwulen in der Union) war und vor fast 20 Jahren im Alleingang dafür gesorgt hat, dass die LSU als erste Stimme innerhalb von CDU und CSU die Öffnung der Ehe für alle forderte. Volker Beck von den Grünen hat Ralf dafür einmal gedankt, weil er der Union so sagen konnte: „Seht her, wir Grünen sind nicht die einzigen, die die Ehe für alle fordern.“ Auch die Kritik an Ralf persönlich ist also eindimensional.
Wieso kommt es dann immer wieder zu diesen Darstellungen?
Ralf hat durch sein Engagement in der Werteunion seinen Beitrag zu diesem Narrativ geleistet. Man kann nicht gleichzeitig politischer Aktivist und Anwalt sein. Das haben wir inzwischen gelernt.
Außerdem treten wir als Medienrechtler, die sich immer gegen die Presse und für die Persönlichkeitsrechte von Betroffenen einsetzen, Journalisten täglich massiv auf die Füße. Da ist es kein Wunder, wenn sie versuchen, uns einen mitzugeben und in ihrer Berichterstattung betonen: “vertreten durch Ralf Höcker, der früher mal Sprecher der Werteunion war und dessen Kanzlei schon von der AfD mandatiert wurde”.
“Journalisten gehen wir mit einer noch anständigen Härte an”
Damit sind wir direkt beim nächsten Stichwort: “Journalisten-Bedrohung”...
Der Begriff beschreibt sehr überspitzt das, was wir tun. Ein Journalist empfindet es häufig schon als Bedrohung, wenn man ihm sagt: “Wenn Du das so schreibst, dann lassen wir das gerichtlich verbieten”. So begriffen drohen wir Journalisten natürlich. Wir sagen ihnen nämlich: Du darfst nichts Falsches schreiben, Du musst unserem Mandanten eine Gelegenheit zur Stellungnahme geben und in Deinem Bericht auch Entlastendes berücksichtigen. Wenn Du das missachtest, dann hat das Konsequenzen.
Viele Mandanten kommen genau deshalb zu uns: Weil wir das Versprechen einlösen, Journalisten im Rahmen des Zulässigen und mit einer noch anständigen Härte anzugehen und damit erfolgreich sind.
Journalisten sind darüber nicht glücklich, passen ihre Berichte aber meistens mehr oder weniger unseren Hinweisen entsprechend an. Dann sind diese in aller Regel zulässig und ausgewogen. Davon profitiert auch die Presse: Am Ende ist es in Zeiten von “Lügenpresse”- und “Fake-News”-Vorwürfen auch im Sinne der Medien, Berichte zu bringen, die ausgewogen sind und Bestand haben.
Vertretet Ihr nur die Betroffenen falscher Berichterstattung oder auch Journalisten und Verlage?
Wir würden kein Medium vertreten, das wegen falscher Berichterstattung angegriffen wird. Da halten wir uns kollisionsfrei. Wir stehen ausschließlich auf Seiten derer, die durch Presseberichterstattung betroffen sind.
Wir vertreten Journalisten allerdings gegen ihre Verlage, wenn sie für ihre Arbeit zu wenig Geld bekommen. Journalisten werden häufig dramatisch ausgebeutet. Da werden Pauschalvergütungen vereinbart und dann Texte und Fotos zig Mal ausgewertet. Dafür sehen sie als Urheber keinen Cent. Der Deutsche Journalistenverband hat uns immer wieder mit Musterverfahren betraut, in denen wir zum Teil sechsstellige Nachzahlungen für unsere Mandanten bei den Verlagen einklagen konnten.
Im Äußerungsrecht vertreten wir Journalisten dann, wenn sie selber in Berichten oder sozialen Netzwerken angegriffen werden. Eine SPIEGEL-Journalistin habe ich beispielsweise gegen Beleidigungen in sozialen Netzwerken vertreten.
Lehnt Ihr außer in solchen Kollisionsfällen Mandate ab?
Wir lehnen nur in absoluten Ausnahmefällen Mandate ab. Grundsätzlich gilt, dass wir jeden vertreten.
Wieso haltet Ihr an diesem Grundsatz, jeden zu vertreten, fest, obwohl Euch oft ein starker Wind entgegenweht?
Ralf Höcker betont immer „´Rechtsstaat ja, aber nicht für jeden´ ist keine Option“. Ein Anwalt mit Berufsethos muss bereit sein, auch dem schlimmsten Verbrecher und dem gefährlichsten Extremisten zu seinem Recht zu verhelfen – natürlich ohne sich mit den Taten oder der Weltanschauung dieser Leute gemein zu machen. Denn natürlich kann auch der schlimmste Mensch einmal im Recht sein. Außerdem ist es im Interesse aller, wenn solche Mandanten nicht zu dubiosen Szeneanwälten gehen oder – noch schlimmer – ihr Recht selbst in die Hand nehmen, weil sie dem Rechtsstaat nicht mehr vertrauen. Ausnahmslos jeder muss sich darauf verlassen können, dass er im Rechtsstaat unvoreingenommen behandelt wird. Und dazu gehört es eben, dass man als Anwalt auch mal die Zähne zusammenbeißen und sich sagen muss: „Augen zu und durch, Recht ist Recht.“
Schon bevor ich Jura studiert habe, habe ich deshalb den Mut von Otto Schily und Christian Ströbele bewundert. Sie haben die RAF trotz heftigsten Gegenwinds vertreten. Schily und Ströbele sagten damals, dass es Leute geben muss, die dafür sorgen, dass der RAF-Prozess kein politisches Verfahren wird, sondern dass es dabei fair zugeht. Das ist Rechtsstaat.
Ihr seid in der Öffentlichkeit sichtbarer als die durchschnittliche Anwaltskanzlei und Ihr tretet auch anders auf. Ist das reines Marketing oder seid Ihr wirklich so?
Als Ralf und ich uns zusammengetan haben, kannte uns keiner, aber wir wollten in fünf Jahren die Nummer 1 sein - völlige Selbstüberschätzung, wenn auch mit einem sportlichen Augenzwinkern. Wir haben uns Gedanken gemacht, wie wir dahin kommen. Mit guter Arbeit allein hätte das nicht so schnell funktioniert. Also haben wir über PR nachgedacht.
Ralf hat früh die Lexika der Rechtsirrtümer geschrieben, SPIEGEL-Besteller, die so gut ankamen, dass RTL ihm eine eigene Show auf den Leib geschneidert hat. Viele meinten, dass man als seriöser Anwalt keine TV-Sendung moderieren kann, noch dazu im Privatfernsehen. Wir haben uns entschieden: Doch, das geht, und am besten setzt man sich da noch mit schrillen, bunten Socken hin. Über Nacht war so die erste Bekanntheit da.
Wir haben immer gezielt Sachen anders gemacht als die anderen, aber nicht als Selbstzweck, sondern weil es unser Weg ist. So ist es authentisch. Wir sagen, was wir denken und wir sehen so aus, wie wir aussehen.
“Wir haben Platz für laute Typen und für leise, für schräge und ganz normale”
Was bedeutet das für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Eurem Team? Müssen die auch laut und ein bisschen anders sein?
Die Kollegen sollen bitte so sein, wie sie sich wohlfühlen. Wir haben hier Platz für laute Typen und für leise, für schräge und ganz normale. Wir sind in Köln. Jeder Jeck ist anders.
Wir erwarten nicht, dass jemand in öffentlichen Netzwerken präsent ist und da seine Meinung sagt. Wir erwarten nicht, dass jemand irgendwo auftritt und seinen Kopf hinhält. Und bei Mandaten, wo der Wind stark bläst, sagen wir unseren Leuten: Wenn ihr darauf keinen Bock habt, dann macht das ein anderer von uns.
Ihr geht nicht nur in der Vermarktung in die Offensive. Man sagt Euch nach, dass Ihr auch für Eure Mandanten mit harten Bandagen kämpft. Was heißt das für Eure tägliche Arbeit?
Es ist unsere Grundphilosophie, dass wir Offensivfußball spielen. Wir stellen uns nicht hinten rein, sondern rennen auf das Tor des Gegners zu. Egal ob im Wettbewerbs-, im Marken- oder im Äußerungsrecht.
Man kann im Äußerungsrecht mauern, erstmal gar nicht reagieren, einen für den Mandanten schlechten Bericht hinnehmen und erst danach versuchen, den zu verbieten. Das haben wir noch nie so gemacht. Wir sind streitlustig und gehen schon vor der Veröffentlichung des Berichts in die Auseinandersetzung. Vor allen Dingen finden wir aber, dass es für Mandanten und für Journalisten besser ist, wenn man miteinander redet. In der Regel haben wir zwei bis drei entlastende Gesichtspunkte, die ohne uns in der Berichterstattung fehlen würden. Wir sagen den Journalisten: Wenn Ihr die nicht berücksichtigt, dann gehen wir dagegen vor. Und das machen wir dann auch.
Auf Eurer Team-Seite findet man wenige Frauen. Woran liegt das?
Wir hätten gerne mindestens so viele Frauen wie Männer im Team. Leider haben wir weniger Bewerberinnen als Bewerber. Das liegt sicher zum Teil am robusten und testosterongeladenen Auftritt der Kanzlei, mit dem sich vielleicht nicht alle Frauen so stark identifizieren können. Dabei wissen wir, dass sich Frauen sehr gut durchsetzen können, wenn auch oft auf eine andere Art als Männer.
Ein anderer Aspekt kann sein, dass Frauen im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie häufig glauben, dass sie in der Verwaltung und bei Gericht besser aufgehoben seien als in Anwaltskanzleien. Dass Männer und Frauen bei uns tatsächlich in Teilzeit arbeiten und auch relativ flexibel zwischen Voll- und Teilzeit hin und her wechseln können, hat sich noch zu wenig rumgesprochen. Bei uns ist die Karriere nicht vorbei, wenn man sagt: “Ich habe jetzt ein Kind, ich will ein Jahr Pause machen und dann ein paar Jahre auf 50% gehen.”
Was wünschst Du Dir von Bewerberinnen und Bewerbern? Was sollen die mitbringen?
Man muss Menschen gegenüber offen und neugierig sein. Außerdem sollte man Selbstbewusstsein und Streitlust im positiven Sinne mitbringen, also Spaß an der Auseinandersetzung, der Argumentation und an der Durchsetzung. Und vor allen Dingen Teamgeist. Wir sind hier tatsächlich ein Team, wir arbeiten alle untergehakt zusammen.