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Ein Beitrag über Zensur

Immer öfter liest man den Vorwurf: “Das ist Zensur!” – neueste Beispiele finden sich etwa als Reaktion auf eine “Kleine Anfrage” der Unionsfraktion vom 21.02.2025 (BT-Drs. 20/15035) mit 551 Fragen zum Thema “Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“. In einer hiergegen gerichteten Petition heißt es: “Keine Zensur durch die CDU!” Doch ist der Vorwurf korrekt?

551 Fragen richtet die CDU/CSU-Fraktion an die Bundesregierung. Proteste gegen die “CDU Deutschlands, die teils von gemeinnützigen Vereinen oder staatlich finanzierten Organisationen organisiert oder unterstützt wurden“, würfen die Frage auf, “inwiefern sich gemeinnützige Vereine, die zusätzlich noch mit Steuergeldern gefördert werden, parteipolitisch betätigen dürfen, ohne ihren Gemeinnützigkeitsstatus zu gefährden“. Es stellten sich Fragen der politischen Neutralität und der Wahlkampfunterstützung. “Manche Stimmen” sähen “in den NGOs eine Schattenstruktur, die mit staatlichen Geldern indirekt Politik” betreibe; auch ein “Verstoß gegen die demokratische Grundordnung” wird befüchtet.

Daher werden Fragen zu verschiedenen Organisationen, etwa zur “CORRECTIV gGmbH”, zur “Amadeu Antonio Stiftung”, zum Verein “Omas gegen Rechts Deutschland e.V.” oder zum Verein “Campact e.V.” gestellt. Auf “WeAct”, der Petitionsplattform ebendieses Vereins “Campact e.V.”, findet sich hierzu nun eine Petition einer Privatperson mit dem Namen “Schluss mit dem Angriff auf NGOs und Medien! Keine Zensur durch die CDU!“. Aktuell (26.02.2025, 11:18 Uhr) haben immerhin rund 45.300 Personen gezeichnet.

Vor allem auf X (vormals Twitter) werden Petition und Vorwurf geteilt. Doch stimmt er überhaupt? Will die Union zensieren? Verstößt sie gar gegen die Verfassung – heißt es doch in Artikel 5 Abs. 1 S. 3 GG explizit: “Eine Zensur findet nicht statt“?!

Juristisch ist die Antwort so einfach wie kurz: Nein. Nichts am Vorgehen der Unionsfraktion kann juristisch als Zensur verstanden werden. Auch ein Verfassungsverstoß ist abwegig. Denn das Zensurverbot des Grundgesetzes umfasst nur und ausschließlich die sogenannte “Vorzensur“, die etwa gegeben wäre, wenn man bspw. einen Beitrag vor Veröffentlichung einer staatlichen Stelle zur Genehmigung vorlegen müsste.

Das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 25.04.1972, Az.: 1 BvL 13/67) hat dies einmal wie folgt zusammengefasst: “Als Vor- oder Präventivzensur werden einschränkende Maßnahmen vor der Herstellung oder Verbreitung eines Geisteswerkes, insbesondere das Abhängigmachen von behördlicher Vorprüfung und Genehmigung seines Inhalts (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt) bezeichnet. Bezogen auf Filmwerke bedeutet danach Zensur das generelle Verbot, ungeprüfte Filme der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, verbunden mit dem Gebot, Filme, die öffentlich vorgeführt werden sollen, zuvor der zuständigen Behörde vorzulegen, die sie anhand von Zensurgrundsätzen prüft und je nach dem Ergebnis ihrer Prüfung die öffentliche Vorführung erlaubt oder verbietet (sog. formeller Zensurbegriff…). Schon die Existenz eines derartigen Kontroll- und Genehmigungsverfahrens lähmt das Geistesleben. Das Zensurverbot soll die typischen Gefahren einer solchen Präventivkontrolle bannen. Deswegen darf es keine Ausnahme vom Zensurverbot geben, auch nicht durch „allgemeine Gesetze” nach Art. 5 Abs. 2 GG. Die Verfassung kann mit diesem kategorischen Verbot jeder Zensur nur die Vorzensur gemeint haben. Ist das Geisteswerk erst einmal an die Öffentlichkeit gelangt und vermag es Wirkung auszuüben, so gelten die allgemeinen Regeln über die Meinungs- und Pressefreiheit und ihre Schranken, wie sie sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 2 GG ergeben. Diese würden gegenstandslos, wenn das Zensurverbot auch die Nachzensur umfaßte, d.h. Kontroll- und Repressivmaßnahmen, die erst nach der Veröffentlichung eines Geisteswerkes einsetzen.

Aber verbieten (staatliche!) Gerichte nicht immer wieder Presseartikel und ist das keine Zensur? Ja – und nein. Artikel oder Äußerungen können nachträglich gerichtlich überprüft werden; sie finden laut Artikel 5 Abs. 2 GG “ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre”. Diese nachträgliche Kontrolle mag man als “Nachzensur” bezeichnen oder auch persönlich als “Zensur” empfinden – mit dem Zensurverbot des Grundgesetzes hat dies aber nichts zu tun.

Ein übergriffiger, zensierender Staat stellt sicherlich eine der größten Gefahren für Meinungsfreiheit und Demokratie dar. Keine Zensur ist jedoch Interesse und Kritik an etwaig mit Steuergeldern (zumindest mittelbar) finanzierten Organisationen – oder die parlamentarische Kontrolle der Verwendung von Haushaltsmitteln durch demokratisch legitimierte Entitäten.