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Das Düsseldorfer Hakenkreuz – (un)zulässiger Tabubruch?

Jacques Tilly ist bundesweit u.a. als Wagenbauer für den Düsseldorfer Rosenmontagszug bekannt. Seine Motive sind regelmäßig brandaktuell und ecken an – sie nehmen die Schönen, Reichen und Mächtigen aufs Korn. Auch dieses Jahr dürfte ein Motiv für Diskussionen sorgen: In einem Artikel der “Tagesschau” heißt es hierzu: “Parteichefin Alice Weidel ragt aus einem Hexenhaus und reicht eine Brezel in Hakenkreuz-Form an zwei Erstwähler.

Ein Gebäck in Form eines Hakenkreuzes – gezeigt auf einem Karnevalsumzug, den nicht nur studierte Politikprofessoren (m/w/d), sondern auch tausende Kinder sehen werden? Verstößt das nicht gegen das Strafrecht, v.a. gegen die Regelung des § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen)?

Dass das Hakenkreuz als Kennzeichen der früheren NSDAP der Strafnorm unterfällt, ist unstreitig (vgl. etwa BGH, Urt. v. 25.07.1979, Az.: 3 StR 182/79 (S); vgl. § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB). Zum insofern relevanten Schutzzweck heißt es beim Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 18.05.2009, Az.: 2 BvR 2202/08): “Der Schutzzweck des § 86a StGB besteht in der Abwehr der symbolhaft durch die Verwendung eines Kennzeichens ausgedrückten Wiederbelebung bestimmter Organisationen sowie der symbolhaft gekennzeichneten Wiederbelebung der von solchen Organisationen verfolgten Bestrebungen. Dabei wehrt § 86a StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt Gefahren ab, die schon allein mit dem äußeren Erscheinungsbild eines Kennzeichens verbunden sind. Ein Unterstützungswille für die durch das Kennzeichen symbolisierte Organisation muss dabei nicht bestehen. Die Norm verbannt somit die entsprechenden Kennzeichen grundsätzlich aus dem Bild des politischen Lebens und errichtet so ein kommunikatives „Tabu”. Es soll bereits jeder Anschein vermieden werden, in der Bundesrepublik Deutschland gebe es eine rechtsstaatswidrige politische Entwicklung in dem Sinne, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen in der durch das Kennzeichen symbolisierten Richtung geduldet würden”.

Ähnlich formulierte es der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2007 (Urt. v. 15.03.2007, Az.: 3 StR 486/06): “§ 86a StGB will darüber hinaus verhindern, dass die Verwendung von Kennzeichen verbotener verfassungsfeindlicher Organisationen – ungeachtet der damit verbundenen Absichten – sich wieder derart einbürgert, dass das Ziel, solche Kennzeichen aus dem Bild des politischen Lebens in der Bundesrepublik grundsätzlich zu verbannen, nicht erreicht wird, mit der Folge, dass sie schließlich auch wieder von den Verfechtern der politischen Ziele, für die das Kennzeichen steht, gefahrlos gebraucht werden können“.

Doch ist der Fall damit schon gelöst – und die Düsseldorfer Ordnungsbehörden müssen einschreiten, um zu verhindern, dass ein Hakenkreuz gezeigt wird?

Tilly, der als erklärter Gegner der AfD auftritt, dürfte widersprechen – und sich v.a. auf die Kunst-, Satire- und Meinungsfreiheit berufen (vgl. auch § 86a Abs. 3 StGB i.V.m. § 86 Abs. 4 StGB). Das Amtsgericht (AG) Kassel verneinte etwa die Strafbarkeit eines Hitlergrußes im Rahmen einer satirischen Kunstperformance (Urt. v. 29.08.2013, Az.: 240 Cs – 1614 Js 30173/12). Auch der sog. “kritische Gebrauch” soll insofern nicht strafbar sein, führte der BGH in der benannten Entscheidung aus 2007 aus (a.a.O.) und betonte: “Der Gebrauch des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation in einer Darstellung, deren Inhalt in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt, läuft dem Schutzzweck der Vorschrift ersichtlich nicht zuwider und wird daher vom Tatbestand des § 86a StGB nicht erfasst. (…) Der Senat weist freilich darauf hin, dass ein Tatbestandsausschluss nur gerechtfertigt erscheint, wenn die Gegnerschaft sich eindeutig und offenkundig ergibt und ein Beobachter sie somit auf Anhieb zu erkennen vermag. Ist dagegen der Aussagegehalt einer Darstellung mehrdeutig oder die Gegnerschaft nur undeutlich erkennbar, so ist der Schutzzweck des § 86a StGB verletzt.

Somit bleibt die entscheidende Frage, ob es (noch) sozialadäquat ist, die Bundestagsabgeordnete Dr. Alice Weidel bzw. die AfD – hier mittels Hakenkreuz – mit den einmaligen Gräueltaten der Nationalsozialisten sowie deren verachtenswerter Ideologie in Verbindung zu setzen. Ist der Wagen, ist die Kombination von AfD und Hakenkreuz also ein aktueller Gag, eine passende Anspielung – oder eben doch der von den Gerichten befüchtete Tabubruch? “Nirgendwo habe ich so eine Narrenfreiheit und solche Möglichkeiten wie hier in Düsseldorf“, wird Tilly von der “Tagesschau” zitiert. Ob es närrisch ist, Kindern Hakenkreuze vorzuführen, mag da jede/r selbst beurteilen – und ob die Düsseldorfer Ordnungsbehörden ihre Möglichkeiten nutzen werden, bleibt abzuwarten.